„Die Tracht lebt“

Als Geburtstagsgeschenk an den Trachtenverein Kirchheim, der in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert, gibt es eine Ausstellung des Südwestdeutschen Gauverbandes der Heimat- und Trachtenvereine in der Kreissparkasse Kirchheim. Dort können Festtagsgewänder aus allen schwäbischen Regionen betrachtet werden.

die Tracht lebt

Kirchheim. Die Begrüßung durch Jürgen Vohrer von der Kreissparkasse zeigte auf, dass der Platz für die liebevoll zusammengetragenen Trachten gut gewählt wurde. Die Tracht der Ostalb ist ebenso dabei wie die aus dem Neckartal und aus Hohenlohe, und selbst Gebirgstrachten aus Bayern, die auch sehr oft in Baden-Württemberg getragen werden, sind zu sehen. Jürgen Vohrer wusste zu berichten, dass die Glockenspielgruppe des Trachtenvereins just im hundertsten Jahr für den Ehrenamtspreis „Starke Helfer“ der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen und des Teckboten nominiert ist.

Gauvorsitzender Gunter Dlabal eröffnete im Beisein vieler Trachtenträger die Ausstellung und gab seiner Freude Ausdruck, dass diese meist originalgetreuen Rekonstruktionen bei der Kreissparkasse ein Dach über dem Kopf erhielten. Ob evangelisch oder katholisch, ob verheiratet oder ledig, ob reich oder arm, ob Alltag oder Sonntag, all das lässt sich an den Trachten ablesen. Von der Kopfbedeckung bis hin zu den Schuhen sind zum Teil auch modische Einflüsse des spanischen und französischen Hofes erkennbar. Verwegen und schwungvoll sind die „Wolkenschieber“ genannten Männerhüte der Hohenloher Tracht, bezaubernd der Schmuck, der dazu getragen wird, insbesondere Halsbänder und Miederschnürungen. Klar wird auch, dass ein Knopf viel mehr ist als eine Befestigungshilfe.

„Tracht lebt“ und „Sitt und Tracht der Alten, wollen wir erhalten“, erklärte der Erste Vorsitzende des Trachtenvereins Kirchheim, Ernst Hummel, in seiner kurzen Ansprache. Mit der Präsentation in der Kreissparkasse, die noch bis zum 15. Oktober besichtigt werden kann, erinnert er an die kultur- und sozialgeschichtlichen Aspekte dieser besonderen Kleiderform. ah

25 Jahre Städtepartnerschaft zwischen Kirchheim und Kalosca

Seit 25 Jahren besteht die Städtepartnerschaft zwischen Kirchheim und Kalosca. Garniert mit Reden, in denen der europäische Gedanken die Hauptrolle spielte, einigen Geschenken und etwas Folklore feierte die Stadt mit ihren ungarischen Gästen aus Kalocsa das Jubiläum auf dem Martinskirchplatz.

Monika Riemer

Kalosca Buchstäblich frischen Wind und bunte Farben brachten die ungarischen Gäste am Samstag in die Kirchheimer Fußgängerzone.
Foto: Markus Brändli

Kirchheim. Am 5. Mai 1990, dem Europatag, begründeten das ungarische Kalocsa und das schwäbische Kirchheim ihre Städtepartnerschaft. Damals gab es den Warschauer Pakt zumindest auf dem Papier noch und der Fall des eisernen Vorhangs lag gerade einmal wenige Monate zurück. Die besondere Rolle Ungarns betonte dann auch Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker in ihrer Festrede: „Indem die Ungarn 1989 ihre Grenze geöffnet haben, haben sie den ersten Stein aus der Berliner Mauer gebrochen.“

Die Stadtoberhäupter aus Kalocsa und Kirchheim stoßen auf die langjährige Partnerschaft an.

Foto: Markus Brändli

Kalosca1Heute seien die Begegnungen zwischen Ungarn und Deutschen von Herzlichkeit und Freundschaft geprägt. Besonders groß ist allerdings das Interesse an wirtschaftlichen Kontakten. Vor allem seit dem Jahr 2004, seit Ungarn Mitglied der Europäischen Union ist, ist Deutschland deren mit Abstand wichtigster Außenhandelspartner.

Angelika Matt-Heidecker berichtete von einem geplanten Ausbildungsprogramm auf kommunaler Ebene, bei dem Jugendliche aus Kirchheims Partnerstädten die Möglichkeit erhalten sollen, in Kirchheim eine Ausbildung zu absolvieren. Ebenso wichtig sind die Schüleraustausche, die Grundlage sind für weitere bürgerschaftliche Begegnungen. „Eine solche Partnerschaft kann nicht bloß auf politischer und verwaltungstechnischer Ebene begründet werden“, ist sich die Oberbürgermeisterin sicher.

Es sei überdies sehr wichtig, sich die Geschichte bewusst zu machen. Zumal beide Seiten „rechte und linke Regime überwunden haben“. Das gelte auch im Hinblick darauf, dass im mittlerweile geeinten Europa nun seit 70 Jahren Frieden herrsche.

Der Bürgermeister von Kalocsa, Dr. József Bálint, unterstrich, wie sehr solche Partnerschaften zu Friede, Verständigung und einem harmonischen Miteinander beitragen. „Weniger mit Worten, als mit Taten schaffen wir wirkliche Brüderlichkeit“, sagte er.

Die Worte sind sicher oft auch eine maßgebliche Barriere im Austausch. Denn die Übersetzerin hatte gut damit zu tun, die Reden in die jeweiligen Landessprachen zu übersetzen. Aus den ungarischen Ös, Üs und Schs tauchten nur hin und wieder bekannte Worte wie Kirchheim und Toleranzia auf.

Keine Übersetzung dagegen brauchen Kunst und Kultur. Was die Kalocsaer Tanzgruppe „Piros Rózsa“ darbot, begeisterte über die Sprachgrenzen hinweg. Ausgelassen und heiter erzählten die bunt gekleideten Darsteller mit Tanz und Gesang vom Spott der Frauen über die Männer. Letztere trauern darum, dass der Wein zur Neige geht, bevor der neue geerntet ist. Witz, Gestik und Mimik sind eben international. Das Publikum lachte, klatschte und wippte im Takt. Laut eigenen Worten „der schwäbischen Gemütslage entsprechend“ präsentierte der Kirchheimer Trachtenverein danach einen vergleichsweise ruhigen Volkstanz in der schwäbischen Schäfertracht. Die Nationalhymnen beider Länder sowie die Europahymne intonierten der Gesangverein Eintracht und die Stadtkapelle Kirchheim.

Geschenke gab es auch: Die Kirchheimer bekamen ein Gemälde, auf dem die wichtigen Bauten beider Städte um einen Platz gruppiert sind, und eine alte Feuerwehruniform mit Schmuckhelm für das Feuerwehrmuseum. Die Ungarn haben nun eine Versteinerung aus Holzmaden im Gepäck.

Nachdem sich alle wichtigen Leute ins goldene Buch der Stadt eingetragen hatten, begann das Bürgerfest mit Saitenwürstchen, Kartoffelsalat und Langosch. Doch, trotz den Schlägen von „Trommelfell“ von der Raunerschule und den „Big Bandits“ von der Freihof-Realschule, wehte der Wind den Martinskirchplatz relativ schnell leer.

30Jahre Goiler

Wenn am letzten Sonntag im September das traditionelle Schnitzelfest des Kirchheimer Trachtenvereins auf der Festwiese und im Vereinsheim stattfindet, dann wird der Gruppenleiter der Goislschnalzer, Konrad Bachmeier, stolz auf seine ehrenamtliche Aufgabe sein. Denn vor Jahren, als aktiver Vorplattler, machte er sich Gedanken darüber, was sein wird, wenn beim Schuhplatteln Schluss ist?
Ohne Aufgabe konnte der rüstige Bayer nicht sein. Im Urlaub im Chiemgau hatte er schließlich eine Idee: Er gründete vor 30 Jahren eine GoislschnalzerGruppe. Denn was Konrad Bachmeier schon als Kind gerne getan hatte, war beim Gänsehüten und Heueinfahren im Bayerwald mit der Peitsche zu knallen.

Der gelernte Schreiner hobelte in seiner freien Zeit die ersten Stöcke aus Eschenholz und versuchte Goisln zu bauen. Die Stöcke waren steif, schwer und schnell kaputt. Also telefonierte er in seine Heimat und bald war eine gute Adresse für die richtigen Goisln gefunden. Es folgten viele Änderungen an der Peitsche: Manilarohr wurde ausprobiert, bis dann schließlich die Glasfaser den Männern viel Freude beim Peitschenknallen brachte.

Seine erste Besetzung in der Goisl­schnalzer-Gruppe fand er mit Jürgen Haug, Helmut Schuster, Ernst Russegger, Herbert Hummel und sich selbst. Der erste Auftritt vor 30 Jahren war bei den Hochzeitsfeierlichkeiten des jetzigen Vorsitzenden Ernst Hummel.

Die Goisl, je nach Gegend oder Dialekt Goaßl oder Peitsche genannt, ist ein Relikt vergangener Zeit, als der Warentransport noch mit Fuhrwerken abgewickelt wurde. Auf dem Heimweg von der Feldarbeit hat so mancher Bauernbursche die Goisl als Hupe benutzt oder ein lustiges Lied gepfiffen und dazu die Goisl im Takt geschnalzt. Ein rechter Fuhrmann hat seine Goisl niemals benutzt, um auf seine Zugpferde einzuschlagen. Sie diente allenfalls als Kommando, um die Zugkraft zu steigern. Auch bei kirchlichen Festen wird an manchen Orten kräftig mit der langen Peitsche geknallt. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die jungen Burschen aus der Gefangenschaft heimkehrten, traf man sich abends, um mit der Peitsche um die Wette zu knallen. Es war ein Kräftemessen – nicht zuletzt, um der Liebsten zu imponieren.

konyDer Trachtenverein Kirchheim will mit dieser Tradition die Erinnerung an diese Zeit wachhalten. Im Jahr 2001 haben Bachmeier und seine Männer zum 20-jährigen Bestehen der Gruppe einen Namen gefunden: die Teckberg-Goislschnalzer. Seitdem hat die Gruppe bei vielen Auftritten den Trachtenverein repräsentiert.
Noch immer hofft der rüstige Bayer, Nachwuchs zu finden, um sein Erbe weiterzugeben. Doch im 21. Jahrhundert ist es schwer, das Inte­resse für das Goislschnalzen zu wecken.
Auch beim Schnitzelfest des Trachtenvereins werden die Schnalzer vertreten sein, um aus dem umfangreichen Repertoire einige Auszüge zu zeigen. Ein weiterer Höhepunkt ist die neu zusammengefügte Glockenspielgruppe. Mitglied Jürgen Haug, selbstständiger Musiklehrer, hat in den letzten Monaten viel Zeit investiert. Neben ihm mit seiner Ziehharmonika und einer jungen Gitarrenspielerin sind zwei junge Trachtler an den Glocken zu sehen und zu hören.ah

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