Würm führt Radler zu Schokolade und Gold
Sie können nicht nur platteln, sondern auch kräftig in die Pedale treten: die „Saddelfurzer“ des Kirchheimer Trachtenvereins.
Kirchheim. Wie die Würm sich windet und schlängelt. Mal mehr, mal weniger stark. Die „Saddelfurzer“ vom Kirchheimer Trachtenverein haben sie begleitet – vom Ursprung am Rande des Naturparks Schönbuch in Richtung Nordwesten durch die liebliche Landschaft im Herzen des Heckengäus.
Über Wendlingen ging die Fahrt nach Nürtingen und dann das gesamte Aichtal bis nach Waldenbuch. Die Stadt mit Schokoladenseiten präsentiert sich heute noch, wie es Goethe vor rund 200 Jahren beschrieb: ein artiger, zwischen Hügeln gelegener Ort mit Wiesen, Feldern, Weinbergen und einem schönen, herrschaftlichen Schloss. Erfrischend, farbig, märchenhaft bis zur Quelle der Würm ging es weiter bis Hildrizhausen.
Abseits von Straßen konnten die Radler erkennen, dass Wehre an der Würm der Flößerei dienten. Noch heute erkennt man die breiten Sammelstellen vor einigen Wehren – Flößerstuben genannt. Hier wurden die Hölzer gebündelt und dann auf die Reise geschickt und über die Würm zu Nagold, Enz, Neckar und Rhein bis nach Holland transportiert. Bei genauem Hinschauen konnten die Trachtler in den Tal-Auen der Würm zum Beispiel zwischen Ehningen und Grafenau noch Strukturen ehemaliger „Wässerwiesen“, die Wässergräben, erkennen. Stauwehre, Streichwehre und Mühlsteine sind bis heute erhaltene Zeitzeugen für die wechselvolle Geschichte der wirtschaftlichen Nutzung des Flusses.Das Heckengäu ist eine von Menschenhand und Schafsmaul gestaltete Kulturlandschaft. Fleißige Hände haben hier seit Jahrhunderten Steine von den Äckern gelesen. So entstanden die Lesesteinriegel, auf denen sich Hecken gebildet haben – letztlich die Namensgeber für das Heckengäu.
Fototermine gab‘s für die Radler an jeder Ecke, in Schafhausen lässt schon der Name die ehemals enge Verbindung zu Schafen und Schäfern erkennen. Die Wacholderheiden in Ortsnähe sind bis heute Zeugnis der „Landschaftspflege mit Biss“ der wolligen Vierbeiner. In Weil der Stadt erlebt man im Herzen des Heckengäus mächtige Stadtmauern und Wehrtürme, hinter denen führen verträumte Gassen durch die historische Altstadt. Hier erzählen tagsüber die Stadtführer und am Abend die Nachtwächter vom Einst und Jetzt.
Die Fahrradtour der „Saddelfurzer“ wurde an der Würm kurz unterbrochen, denn das Quartier für die Nacht lag in Bad Liebenzell: erst ein Anstieg, dann rasante Abfahrten in den beeindruckenden Schwarzwald.
Nach langen Wochen mit Regen wurde die Fahrradgruppe belohnt mit 35 Grad Sonne. Von den schweren Gewittern hatten die Radler in den drei Tagen nichts mitbekommen. Zwei kleinere Pannen wollten sie einfach nicht so eng sehen, denn ein halber „Drebbel“ langt doch für eine Radtour. Und ein geplatzter Reifen macht den Profis auch keine Sorgen, denn ein Ersatzschlauch ist immer dabei.
Der zweite Tag wurde geplant mit einer Tour von Bad Liebenzell durch das Monbachtal mit seinem Bannwald nach Pforzheim – eine wunderschöne Tour auf dem Nagoldradweg, eine „schmucke“ Großstadt mit viel Flair und viel Wasser, denn die 90 Kilometer lange Nagold trifft die Enz. Die Goldstadt Pforzheim, das nördliche Tor zum Schwarzwald, entpuppte sich als herrliches Ziel. Sie wird von mehreren Flüssen durchflossen und die Gartenwirtschaft an der Auerbrücke war ein wunderschöner Platz, ebenso der Imbiss im Stadtgarten von Pforzheim, mit Blick auf die Nagold-Auen.
Am Abend versammelten sich die Radfahrer noch auf ein „Radler“ im idyllischen Kurpark von Bad Liebenzell und schlenderten durch die Fußgängerzone zurück zum Nachtquartier.
Am letzten der drei Tage wurde die Rückfahrt geändert und eine Ersatzroute um den Büchelberg gewählt. Ein kühler Radweg durch den Schwarzwald und ein mäßiger Anstieg bei bester Luft füllte die Lungen. Leider gab es die dritte Panne, und ein Fahrradhändler musste aufgesucht werden, um Ersatzteile zu besorgen, und mit Verspätung und Touränderung ging es im „gestreckten Ritt“ in Richtung Heimat. Die Regenwolken immer im Blick – der Himmel machte die Schleusen aber nicht auf – kam die Radfahrergruppe nach beinahe 250 Kilometern nach Hause und ließ bei gemütlichem Beisammensein und gutem Essen die Tour ausklingen. ah