Der Maibaum ist ein Schmuckstück für Kirchheims Innenstadt,
und das seit fast 50 Jahren. So lange schon stellt Jahr für Jahr der Trachtenverein das Prachtexemplar stilecht mit Bändern, Zunftzeichen und Wappen auf, stets unter großem Hallo, mit Manneskraft und Pferdestärken. – Doch dieses Jahr ist manches anders.
Irene Strifler
Kirchheim. Der Trachtenvereinsvorsitzende Ernst Hummel und die Seinen haben allen Grund, ernste Mienen zu machen. Die Welt scheint sich gegen sie verschworen zu haben, genauer: gegen den traditionellen Maibaum. Dessen Aufstellung alljährlich bedeutet für die Männer nicht nur einen Haufen Arbeit, sie bringt auch ein Riesenfest am 1. Mai in die Innenstadt und sorgt für lang anhaltenden Schmuck.
Zumindest bisher. Im vergangenen Jahr gab‘s richtig Zoff. Hummel und Co. trauten ihren Augen nicht, als sie wenige Tage nach der Aufstellung des Baums plötzlich ins Leere blickten. Das nahende Radrennen war‘s, das die städtischen Verantwortlichen die vorschnelle Beseitigung des Schmuckstücks anordnen ließ. – Entsetzt waren nicht nur die Vereinsmitglieder, sondern auch die Stadtchefin, deren Blick aus dem Bürofenster normalerweise rund vier Wochen lang wohlwollend auf den geschmückten Baum fällt.
Viele Gespräche waren nötig, um die Wogen zu glätten. Schließlich war klar: Der Trachtenverein steht weiter zur Tradition. Das fiel ihm umso leichter, als mittlerweile das Aus für das Radrennen bekannt wurde.Dessen Organisator hatte die Trachtler aufgebracht, als er öffentlich mit der Aussage zitiert wurde, „den Eiertanz um den Maibaum“ nicht mehr mitmachen zu wollen. Doch wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am Besten: Am „Eiertanz“ liegt‘s nicht, eher am Sponsorengeld, dass der Maibaum weiter besteht, wogegen das Radrennen Geschichte ist.
So weit, so gut. Kürzlich jedoch ist den Trachtenvereinsmitgliedern das Lachen dann doch gründlich vergangen. Alle zwei Jahre, so plötzlich die behördliche Anordnung, müsse der über 25 Meter hohe Stamm, der die die jeweils frische Baumkrone trägt, erneuert werden – aus Sicherheitsgründen. Schließlich soll er nicht kippen. „In Bayern stehen die Bäume locker fünf Jahre am Stück und das nicht nur jeweils vier Wochen“, empört sich Hummel über die vermeintliche Schikane. Doch eine gründliche Inspektion ließ die Kritiker verstummen: Zwar liegt das Prachtstück sicher verwahrt im Bauhof. Dennoch weist der alte Stamm mit einem Durchmesser von 20 Zentimetern tiefe Risse auf. „So was ist in 50 Jahren noch nicht vorgekommen“, rauft man sich beim Trachtenverein die Haare.
Jetzt stand die Maibaumtradition in Kirchheims Stadtmitte ernsthaft auf der Kippe. Ein auf die Schnelle geschlagener Stamm ist nämlich nass und schwer. „Anmalen kann man ganz vergessen, ebenso das Aufstellen von Hand“, lautet die frustrierte Auskunft beim Verein. Doch alles Lamento hilft nichts. Spielverderber wollen die Trachtenvereinler ganz gewiss nicht sein. Deshalb haben sie sich zu einer außerordentlichen Sitzung getroffen. Ergebnis: „Es wird auch dieses Jahr wieder einen Maibaum geben.“ Selbiger ist mittlerweile längst geschlagen und geschält. Anfahrt per Pferdewagen und Aufstellen mit „Hauruck“ und Muskelkraft gehören diesmal aber nicht zum Programm: Das schwere Ungetüm wird schon am 29. April mit dem Kran in die Vertikale gebracht. „Ein Fest gibt‘s trotzdem“, tröstet Hummel Bürger und Maibaumfreunde.
Am Freitag, 1. Mai, steigt das Maibaumfest in Kirchheim mit den Gruppen des Trachtenvereins, der Stadtkapelle Kirchheim und dem Spielmannszug der Feuerwehr. Gegen 11 Uhr wird der Baum auf dem Marktplatz errichtet, anschließend wird getanzt. Eine Feier beim Vereinsheim des Trachtenvereins schließt sich an.